Online-Kurse – Fluch & Segen zugleich

Um ehrlich zu sein, hatte ich nie vor Blogbeiträge zu schreiben. Doch hat sich die Tanz- und Yogawelt die letzten zwei Jahre sehr verändert. Online-Kurse, Online-Tutorials und viele Text- und Filmbeiträge im Internet überwiegen derzeit das Bild. Es geht momentan nicht mehr nur um die Praxis, sondern um eine teilweise theoretischer ausgerichtete Beschäftigung mit Bewegung als solche und Tanz und Yoga im Speziellen.

Noch immer bin ich der festen Überzeugung, dass Bewegung in der Bewegung selbst erlebt werden muss. Erfahrungen sammelt man über das Wiederholen von Bewegungen, Bewegungsabläufen oder dem Kreieren von Bewegungen und Bewegungsabläufen. Doch alles muss schnell verstanden und „erledigt“ werden. Die Geduld, sich mit einer Sache intensiv zu beschäftigen, fehlt. Muss fehlen, weil alles so schnelllebig erscheint. Eine Sprache kann man „nachts und in ein paar Stunden Praxis“ lernen. Kochen geht über das Internet – wer kauft und liest Kochbücher außer mir). Die Zeitung wird online gelesen und Geschichte nur noch in Zusammenfassungen gelesen. Abnehmen kann man durch Mittelchen und die Bikini-Figur ist in 10 Wochen intensivem Trainieren von nur 10 Übungen täglich mit einem Daily Fitness-Programm mit Strichmännchen erreicht.

So muss sich dann auch der Tanz und das Yoga der Gegebenheiten der Zeit fügen.

Anfangs war ich traurig, muss ich zugegeben. Inzwischen habe ich ein etwas anderes Bild. Denn so wie ich mich anfangs gegen Online-Unterricht sträubte, so sehr muss ich wider Erwarten zugeben, dass es doch funktioniert. Zumindest was das Erlernen der Technik angeht. Jeder Mensch kann Bewegungen über Online lernen. Allerdings muss man als Online-Lehrer immer sehr genau erklären, nicht nur welche Bewegungen wie auszuführen sind (das müssen wir ohnehin!), sondern wir müssen als Leiter von Online-Kursen sehr darauf achten, dass die Teilnehmer die Bewegung richtig ausführen, um genau das Richtige zu spüren bzw. genau den Sinn (z.B. die richtige Stelle dehnen), respektive genau das Resultat (z.B. Pirouette schaffen / Balance halten) zu erlangen. Da habe ich in den letzten Jahren viel dazu gelernt, wofür ich auch dankbar bin. Auch die Idee meiner Tutorials für Abonnenten ist eigentlich nur aus diesem erzwungenen Grund heraus entstanden,

Ich merke, dass es meinen Teilnehmern auch gefällt, weil sie doch zu festen Zeiten in die Bewegung kommen müssen. Nicht jeder ist dafür gemacht, freiwillig und einfach so feste Trainingstermine mit sich zu vereinbaren. Daher freuen wir, ich als Kurs-Leiter und meine Teilnehmer, auf unser wöchentliches (oder öfter) Wiedersehen als Avatare.

Alle jedoch freuen sich dann immer wieder, wenn wir wieder „in echt“ trainieren können.

Wie gesagt, technisch ist es nicht schlecht, dieses Online-Training. Jeder profitiert ein wenig davon. Und jertzt im Winter muss niemand vor die Tür 🙂 Ok . Aber das gemeinsame Bewegen, die fließende Energie im Raum, die „Schwarm-Intelligenz“ beim Erlernen von Choreographien, das Zusammensein und der „Spaß am Rande der Tanzfläche“, das fehlt. Interessanterweise dauert es zwar ein Weilchen, nach Monatelangem Online-Training, dass die Gruppen wieder als dreidimensionale Wesen und in der Masse miteinander agieren, jedoch weniger lang, als ich befürchtet habe.

Immerhin planen wir zwei Auftritte in diesem Jahr. Den einen schon Ende Mai….da wird es viele extra Trainings geben müssen. Meine Weihnachtsshow habe ich in Abschluss-Show umbenannt und wir werden, trotz ein paar Weihnachtsnummern Ende Oktober auf die Bühne gehen. Nun, Lebkuchen gibt es ab September in den Regalen – dann ist das halt so.

Aber wir brauchen dazu schon „echtes“ Training. Denn Fitness und Technik sind das eine – die Bühne verlangt viel mehr Leben.

Fazit: Es ist gut, dass es die Online-Möglichkeiten zum Training gibt. Es ist eine gute Zwischen-Lösung, wird aber niemals eine Alternative zum miteinander Trainieren sein. Denn wir sind Menschen und Menschen sind soziale Wesen und wir brauchen ein soziales Umfeld.

Ich hoffe sehr, dass nach diesen erneuten Einschränkungen, die wahrscheinlich auch bis in den Februar/ März hineindauern, endlich ab dem Frühlingsanfang alles für lange, lange Zeit (wenn möglich für immer), wieder ein uneingeschränktes „bewegtes“ Miteinander möglich sein wird.

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